Bundesverband


Die Chronik


Alles begann mit der Zeitgeistreise …

Alles begann am 25. September 1991 mit einer „Zeitgeistreise“ des Philosophen und Politologen Prof. Dr. Bernd Guggenberger auf dem Deutschen Richtertag in Köln. Guggenberger irritierte das gesetzte Publikum mit einer Charakteristik der Vorlieben des postmodernen Menschen: „Spiele mit der Sinnlosigkeit“, „Nonsensmaskeraden“ in einer Zeit, in der „alles unscharf“ werde „im subatomaren Raum“. Die Diskrepanz zwischen dem im „Nirgendwo treibenden“ bzw. „aktuell lebenden“ Menschen und seiner noch monarchistisch anmutenden Rechtsordnung hätte nicht offenkundiger auf den Punkt gebracht werden können.


„Ein neues Recht für eine neue Gesellschaft“

Den Impuls aufgreifend bat Sigrun v. Hasseln die Herren Prof. Dr. Bernd Guggenberger und Dr. Roland Makowka, den damaligen Präsidenten des Landgerichts Hamburg und Autor des Buches „Das humane Gericht“, gemeinsam „etwas“ zu tun – und zwar für „ein neues Recht für eine neue Gesellschaft“.


Projektgruppe Justizreform, Bürgerrechtshäuser & Jugendrechtsschulen

Am 5. März 1992 gründeten die Drei in Bremen die rechtspolitisch arbeitende “Projektgruppe Justizreform“. Ab dieser Zeit schrieb Sigrun v. Hasseln mehrere Abhandlungen über die neue Rolle des Rechts und der Justiz in unserer Gesellschaft als Wertevermittlerin, über die Notwendigkeit der Erziehung zum Recht vom Kindergarten an mittels einer eigenen Rechtspädagogik sowie über die Notwendigkeit der Einrichtung von Bürgerrechtshäusern und von Jugendrechtsschulen (School of human law)


Verein Recht und Gesellschaft e.V. (R&G)

Als die Gruppe schnell größer wurde und größere Buchprojekte in Zusammenarbeit mit dem Nomos-Verlag anstanden, wurde am 1. September 1994 der bundesweit tätige „Verein Recht und Gesellschaft“ gegründet. Diesem saß das Gründungstrios Sigrun v. Hasseln, Prof. Dr. Bernd Guggenberger und Dr. Roland Makowka bis zum Jahr 2004 vor. Am 1. September 2004 übernahm der Philosoph PD Dr. Stefan Büttner-v. Stülpnagel den Vorsitz des „Vereins Recht und Gesellschaft“. Der wurde schließlich zum „Mutterverein“ des im Jahr 2002 gegründeten Bundesverbandes der Jugendrechtshäuser Deutschland e.V. „R&G“ bezweckte abseits von Wahl-, Partei-, Interessenvertretungs-, Behörden- und sonstigen Zwängen in Zusammenarbeit mit tragenden gesellschaftlichen Institutionen die empirische, interdisziplinäre Erarbeitung und die möglichst weitgehende, praktische Umsetzung eines Konzeptes für ein zeitgemäßes und funktionstüchtiges Recht, das trotz wachsender sozialer Probleme, Perspektiv- und Orientierungslosigkeit in vielen Teilen der Bevölkerung freiwillig eingehalten wird und so steigender Kriminalität und beginnender Anarchie entgegenwirkt – und dadurch das freiheitliche und friedliche Zusammenleben der Menschen in der Demokratie aufrecht erhält.


„Jugend hat Recht“

Die zahlreichen rechtsphilosophisch-rechtspolitischen Beratungen führten im Ergebnis dazu, der Jugend besonderen Platz einzuräumen. Denn von Anfang an wurde die Vermittlung von „Rechtsbewusstsein“ als gesamtgesellschaftliche Basisaufgabe eines demokratischen Rechtsstaats in allen Bereichen der Bevölkerung als unabdingbar gesehen. Überlegungen rund um ein bürgernahes Recht sollten aber bereits in frühester Kindheit beginnen. Schließlich war die Jugend schon deshalb an der Konzeption neuer Wege im Recht zu beteiligen, weil das heute konzipierte Recht jenes ist, mit der unsere Jugend morgen leben muss. Auch der Rechtsphilosoph und spätere Schirmherr des „Vereins Recht und Gesellschaft“, Prof. Dr. Dr. Arthur Kaufmann, hatte empfohlen, vor allen Überlegungen stets den rechtsphilosophischen Dialog mit Schülern zu suchen. Er selbst halte den direkten Kontakt zu Schulen in München noch immer aufrecht, so weit es für ihn nur irgendwie gesundheitlich leistbar sei.


Ein Buch zur Rechtserziehung

Schließlich sollte im Rahmen der vom „Verein Recht und Gesellschaft“ unter Leitung von Prof. Dr. Dieter Strempel (BMJ) herausgegeben Buchreihe „Interdisziplinäres Forum: Bürger und Recht 2000“ ein Buch mit dem Titel „Die Erziehung zur Achtung der Schöpfung, zum Frieden und zum Recht - Ein Leitfaden für Eltern, Pädagogen, Angehörige sozialer Berufe und sich selbst“ herausgeben werden. Das erste Autorentreffen zur Konzeption des Buches fand am 25. August 1995 in Oldenburg statt.


Bundesweiter Aktions- und Mitmachtag „Jugend hat Recht“

Um das Buch durch einen praktischen Teil – etwa von Schülern geschriebene Theaterstücke und Aufsätze aus einem Aufsatzwettbewerb – abrunden und prüfen zu können, ob Jugend überhaupt für die „trockene Materie Recht“ erreichbar sei, wurde vom „Verein Recht und Gesellschaft“ am 08. Juni 1996 im Kulturzentrum PFL der Stadt Oldenburg der bundesweite Aktionstag „Jugend hat Recht“ durchgeführt.


Der erste Jugendrechtsberater und die Geburt der Idee des Jugendrechtshauses

Rechtzeitig vor dem Aktionstag „Jugend hat Recht“ erschien im Frühsommer 1996 unter dem Titel „Jugend“ die erste Auflage des Jugendrechtsberaters (Nomos stn 112, Reihe ARD-Ratgeber-Recht) von Sigrun v. Hasseln. Darin wurde zugleich die Idee des Jugendrechtshauses geboren. Kurz nach Erscheinen des Jugendrechtsberaters wurde die Idee des Jugendrechtshauses von der Stadt Oldenburg aufgegriffen und gemeinsam weiter verfolgt. Dem Vorhaben Jugendrechtshaus kam es sehr entgegen, dass der bundesweite Aktions- und Mitmachtag „Jugend hat Recht“ im Juni 1996 ein großer Erfolg wurde. Denn an diesem Aktionstag, der „das Recht zum fröhlichen Erlebnis machen sollte“ (Nordwest-Zeitung vom 04. Juni 1996), hatten sich zahlreiche Akteure aus Schulen, Kindergärten, Justiz, Medien, Jugendorganisationen sowie Theologen, Pädagogen und Jugendpsychiater beteiligt. Zudem kamen über 2.000 Schüler, Lehrkräfte, Eltern, Juristen und sonst Interessierte; teilweise aus ganz Deutschland.

Am Vormittag des 08. Juni 1996 verhandelten die Vorstandsmitglieder Prof. Dr. Dieter Strempel (auch für das Bundesministerium der Justiz) und Sigrun v. Hasseln mit den zuständigen Vertretern der Stadt Oldenburg über die weitere Konkretisierung der Einrichtung eines Jugendrechtshauses.


Die Gründung des „Vereins Jugendrechtshaus Oldenburg e.V.“ 1996

Doch nicht nur die Stadt Oldenburg wollte ein Jugendrechtshaus gründen. Vielmehr wurde nach dem großen Erfolg des Aktionstages „Jugend hat Recht“ von vielen Akteuren, Eltern und Lehrkräften der Wunsch geäußert, eine ständige Bildungs- und Präventionseinrichtung rund um das Recht zu gründen. Schließlich wurde noch im selben Jahr am 11. Dezember 1996 das erste Jugendrechtshaus in Oldenburg gegründet. Dazu wurde – auf der Grundlage der bisherigen Veröffentlichungen - das in der Broschüre „Das Jugendrechtshaus. Ein Beitrag zum Frieden. Lebensvorbereitung und Prävention auf ganzheitlicher Basis“ niedergelegte Konzept von Sigrun v. Hasseln umgesetzt und entsprechende, rechtspädagogische Projekte in der Praxis durchgeführt. Der dem Urheberrecht unterliegende Name „Jugendrechtshaus“ wurde im Anschluss auch markenrechtlich geschützt.


Die Idee des Jugendrechtshauses und der Rechtspädagogik auf Deutschlandtournee

Nach und nach wurden auch in anderen Städten Aktionen rund um das Recht für junge Menschen entwickelt. Im Juni 1998 organisierte das Vorstandsmitglied des Vereins R&G, Oberstaatsanwältin Sybille v. Massow, in Schwerin den riesigen Aktionstag „Frieden durch Recht“ unter Einbindung von Justiz, Anwaltschaft, Polizei und Schulen. Zeitgleich wurden vom Verein R&G weitere Jugendrechtshäuser und Jugendrechtshausinitiativen in Deutschland mit Schwerpunkt in Brandenburg initiiert und in die Praxis begleitet.

So wurde im Mai 1998 der Landesverband der Jugendrechtshäuser Brandenburg e.V. und im August 1998 der Verein „Cottbuser Jugendrechtshaus e.V.“ gegründet.


Die Gründung des Bundesverbandes der Jugendrechtshäuser 2002

Bis zum Frühjahr 2002 gab es in Deutschland rund 25 Jugendrechtshäuser und Jugendrechtshausinitiativen mit steigender Gründungstendenz. Parallel dazu stieg der damit für den „Verein Recht und Gesellschaft“ verbundene praktische Verwaltungsaufwand. Dieser wollte von seinem Selbstverständnis und der Struktur seiner Mitglieder her aber weniger praktische (Jugend-) Projekte im Alltag betreiben, sondern vielmehr in kleineren Zirkeln interdisziplinär rechtspolitisch vordenken, forschen und Impulse für viele Bereiche des Zusammenlebens in der interkulturellen Gesellschaft geben.

So regte der damalige Vorsitzende des Cottbuser Jugendrechtshauses und Präsident des Landgerichts Cottbus, Joachim Dönitz, an, die Bereiche „Jugendrechtshaus“ und „Jugendrechtsschule“ (school of human law) aus dem „Verein Recht und Gesellschaft“ auszugliedern und sie mit allen schon bestehenden Jugendrechtshäusern unter das gemeinsame Dach eines noch zu gründenden Bundesverbandes zu stellen. Ein wesentlicher Aspekt war dabei auch der Gedanke, Abspaltungsprozesse, Änderungen oder gar eine Aushöhlung der tragenden Säulen des inzwischen in der Praxis erprobten, rechtspädagogischen Jugendrechtshauskonzeptes zu verhindern. Insbesondere sollte die inhaltliche Kontinuität im Sinne der Rechtsphilosophie Arthur Kaufmanns gewahrt bleiben. Der Wunsch des Rechtsphilosophen und Schirmherrn Arthur Kaufmann im letzten Gespräch am 7. März 2001 mit Sigrun v. Hasseln wurde zudem als Vermächtnis und Auftrag zugleich angesehen, die es auch in dem zu gründenden Bundesverband zu wahren und künftig zu respektieren galt. Am 28. Mai 2002 wurde der „Bundesverband der Jugendrechtshäuser Deutschland e.V.“ in Berlin gegründet.


Das Jugendrechtshaus weiter auf Erfolgskurs

Im März 2008 ist die Jugendrechtshausidee in den meisten deutschen Bundesländern, in großen Teilen der Justiz und der Bildung sowie in der Politik angekommen; auch das Ausland hat Interesse bekundet.

Insgesamt gibt es im März 2008 in Deutschland 50 Jugendrechtshäuser und Jugendrechtshausinitiativen mit weiter steigender Tendenz; davon 20 in Brandenburg. Außerdem gibt es zwei Landesverbände (Berlin und Brandenburg). In mehreren Bundesländern wird ebenfalls an zentraler Stelle darüber nachgedacht, landesweit solche Einrichtungen zu gründen und zu fördern.

Es werden inzwischen eine kaum noch zu übersehende Zahl von Projekten mit Kindern, Jugendlichen und ihren Erziehenden angeboten. Ebenso gibt es Tagungen, Seminare und Fortbildungsseminare.

Da ist es eine große Hilfe, wenn Justiz, Richterbund, Anwaltverein und andere Institutionen ihre Mitglieder aufrufen, sich stärker mit ihrem Fachwissen in die Arbeit der Jugendrechtshäuser einzubringen. Dank dieser Hilfen ist es in einigen Städten schon möglich, im Jahr mehreren tausend Schülern Rechtsbewusstsein und Rechtskenntnisse zu vermitteln und auf großer Basis nachhaltig zu wirken. Dieser Erfolg hat zahlreiche Mütter und Väter, die teilweise rund um die Uhr am Aufbau der Jugendrechtshausbewegung mitgewirkt haben.


Nichts ist mächtiger als eine Idee, deren Zeit …

Weit über die Grenzen von Brandenburg hinaus bekannt geworden sind inzwischen die von der Hochschullehrerin Erika Kraszon-Gasiorek im Rahmen des Cottbuser Jugendrechtshauses in Kooperation mit der Fachhochschule Lausitz ins Leben gerufenen und mit der Dipl. Pädagogin Monika Selleskunter dem Titel „Haftvermeidung durch soziale Integration (HSI)“ auf rechtspädagogischer Basis durchgeführten Projekte für delinquente jugendliche Mehrfach- und Intensivtäter.

Dazu gehören der „Crashkurs vor der Hauptverhandlung. Auf der Suche nach Identität" mit der Rückfallquote von weit unter acht Prozent, „Haftentlassungsvorbereitung und Begleitung des jungen Menschen nach Haftentlassung“ sowie ein Spezialkurs für rechte Straftäter einschließlich interkulturellen Täter-Opfer-Ausgleich.


Gründung der Akademie für Rechtskultur und Rechtspädagogik

Um die überregionalen Aktivitäten auf dem Gebiet der Fortbildung und der Forschung in jeglicher Hinsicht zu optimieren, wurde am 19. Januar 2006 der „Trägerverein der Akademie für Rechtskultur und Rechtspädagogik e.V.“ gegründet und die Akademie am 22. September 2006 unter Schirmherrschaft von Beate Blechinger, Ministerin der Justiz des Landes Brandenburg, in Cottbus offiziell eingeweiht.


2012 Das Jahr des Umbruchs

Nach fast 20 Jahren aktiver Arbeit an der Idee der Jugendrechtshäuser entschied Richterin Sigrun v. Hasseln, dass es Zeit für einen Generationswechsel geworden sei. Neue Köpfe sollten mit neuen Ideen die Jugendrechtshausbewegung weiter nach vorne bringen.

Seit der Mitgliederversammlung im September 2012 ist nun der neue Vorstand unter dem Vorsitz des Oranienburger Rechtsanwalts Andreas Steffen im Amt und ist nun dabei, die Jugendrechtshäuser vor allem in ihrer Außenwirkung und -werbung zu modernisieren. Dazu gehört auch die Intensivierung der Kommunikation zwischen dem Bundesverband und den Jugendrechtshäusern sowie dem Aufbau des Bundesverbandes als Serviceeinrichtung für die Mitgliedshäuser.